Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse

    In 2006 hat die Europäische Union die Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt (« Dienstleistungsrichtlinie ») angenommen. Dieser Text hat eine große Debatte auf europäischer Ebene ausgelöst. In dem endgültigen Text gibt es noch immer eine Reihe von Unklarheiten für den Sektor der Sozialwirtschaft: Wo liegt die Grenze für eine Sozialdienstleistung von allgemeinem Interesse (SDAI), eine nichtwirtschaftliche Dienstleistung von allgemeinem Interesse (DAI) und eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI)? Wie wirkt sich diese Richtlinie auf die sozialwirtschaftlichen Unternehmen aus?

    Darüber hinaus erwägt die Europäische Kommission die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse. Die Debatte ist eröffnet, vor allem seitdem die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse und die Gesundheitsdienstleistungen von der « Dienstleistungsrichtlinie » ausgeschlossen sind. Wie kann ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der die Vielfalt und die Besonderheiten der Akteure der Sozialwirtschaft berücksichtigt? 

    Die Abteilung Sozialwirtschaft des FÖP Sozialeingliederung hat am 18. April 2007 eine Informationsveranstaltung zum Thema « Die Sozialwirtschaft und der europäische Binnenmarkt für Dienstleistungen » mit Frau Els van Weert, Staatssekretärin für Nachhaltige Entwicklung und Sozialwirtschaft, organisiert. Die Veranstaltung hatte zum Ziel, die belgische Sozialwirtschaft für das Thema der Liberalisierung der Dienstleistungen zu sensibilisieren.

    Herr De Vriese von der Kleis VoG leitete die Veranstaltung mit einer Einführung in die « Dienstleistungsrichtlinie » ein. Anschließend wurden Fragen erörtert, die sich für diesen Sektor ergeben. Die Richtlinie macht keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Arten von Unternehmen und löst bei den Unternehmen, die sich an der Grenze zwischen wirtschaftlicher Tätigkeit und ihrer sozialen Rolle bewegen, eine Rechtsunsicherheit aus. 

    Der Meinungsaustausch hat gezeigt, dass das Inkrafttreten der « Dienstleistungsrichtlinie » mit gewissen Befürchtungen des Sektors verbunden ist. Die Teilnehmer haben darauf hingewiesen, dass die Richtlinie ein vollständiges Screening der nationalen Rechtsvorschriften erfordert, um alle administrativen Hindernisse abzuschaffen, die den freien Verkehr von Dienstleistungen beeinträchtigen könnten. Die Auswirkungen werden insbesondere im Bereich der Anerkennungsverfahren erwartet. Die Anpassung der belgischen Rechtsvorschriften an die Richtlinie soll überwacht werden, um Bestimmungen zu vermeiden, die gegen die Grundsätze der Sozialwirtschaft verstoßen. Diese Frage muss auch im Zusammenhang der Debatte um die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse erörtert werden. 

    Der zweite Teil der Veranstaltung konzentrierte sich auf die Frage der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse im europäischen Kontext. Die Einführung von Frau Dony vom Institut d’Études Européennes der ULB hat die Notwendigkeit aufgezeigt, dass die spezifischen Charakteristika der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse berücksichtigt werden müssen, da sie die konkrete Verwirklichung der Grundrechte zum Ziel haben. Viele Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse sind an eine breitere Öffentlichkeit gerichtet, nicht nur an benachteiligte Personen. Frau Bertholet, Anwältin und Mitarbeiterin vom CES der ULg, hat eine Präsentation über die Berücksichtigung der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse innerhalb der verschiedenen europäischen Einrichtungen gehalten. Sie hat den pragmatischen Ansatz des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften erläutert. Aus der Rechtsprechung geht eine Berücksichtigung der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse hervor. Die Europäische Kommission hat wiederum ein eher karitatives Konzept der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse. Aus einem Bericht vom letzten März des Europäischen Parlaments geht hervor, dass die Einrichtung mehr Deutlichkeit über die Definition der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse fordert.

    Die letzte Präsentation über den Standpunkt Belgiens gegenüber den Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse wurde von Frau Willame vom FÖD Soziale Sicherheit gehalten. Für Belgien ist die Definition der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse zu eng und man empfiehlt die Anwendung eines Satzes von Merkmalen. Dabei befürwortet Belgien eine Richtlinie für die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, die die Rechtssicherheit der Akteure gewährleisten soll. Bei der Beantwortung der Fragen im Anschluss an die Präsentationen hat Frau Willame hervorgehoben, dass der Standpunkt Belgiens nur von einer Minderheit der Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene unterstützt wird. 

    Das Thema der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse wird von der Abteilung Sozialwirtschaft des FÖP Sozialeingliederung weiterverfolgt. Zudem wird eine Arbeitsgruppe gebildet, an der sich die Akteure des Sektors beteiligen können. 

    http://ec.europa.eu/social/home.jsp?langId=de